Allein.

Die Gesellschaft ĂĽberaltert: Niedrige Geburtenraten verbunden mit dem allgemeinen Anstieg der Lebenserwartung haben zu einem Ungleichgewicht in der Bevölkerungs-struktur gefĂĽhrt. Die Alterspyramide kippt und immer weniger junge Menschen tragen die soziale Last fĂĽr die vielen Alten. Der Mensch in seinem Lebensabend wird so zunehmend zum Ballast fĂĽr kĂĽnftige Generationen. Der Spagat zwischen Beruf und Familie zeigt sich auch hier in seiner unbarmherzigen Form und droht viele zu zerreiĂźen. Das Altersheim bleibt dann oft als einzige Lösung – und als Garant fĂĽr einen Abschied auf Raten. Dabei ist den jungen Menschen nur selten ein Vorwurf zu machen. Wenig Zeit, geringe finanzielle Mittel und oft die Jobsuche fernab der eigentlichen Heimat gestattet den Kindern nicht mehr, die eigenen Eltern auf ihrer letzten Reise zu begleiten. Die Unterbringung im Heim gestaltet sich aufgrund der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen dann nicht nur als Frage des Gewissens, sondern vor allem des Geldbeutels. Auf der einen Seite steht die Pflegeeinrichtung fĂĽr die abgesicherte Grundversorgung der GroĂźelterngeneration – sie werden gewaschen, bekocht und rundum medizinisch betreut – andererseits entscheidet das finanzielle Polster ĂĽber Fragen wie: Einzel- oder Doppelzimmer? Raumgröße und Ausstattungsmerkmale? Versorgung und Betreuungsangebote? FĂĽr den Untergebrachten, der meist keinen Einfluss mehr auf diese Entscheidungen hat, haben diese Festlegungen weitreichende Folgen. Denn wenn der eigene Körper und der eigene Geist zunehmend ihren Dienst versagen oder Krankheit und Demenz ein selbstbestimmtes Leben nicht mehr ermög-lichen, geht es darum, mit wie viel WĂĽrde sich der Lebensabschied gestalten lässt. Das Zimmer im Altenheim wird dann zur Versorgungs- und FĂĽrsorgestätte. Wenige Quadratmeter Raum, einige ErinnerungsstĂĽcke aus vergangenen Tagen und der Fernseher stellen die Rahmenbedingungen zwischen den Mahlzeiten – Essen und Trinken als Zeitvertreib und Lebenszweck. Ein furchtbarer Gedanke, wenn man bedenkt, dass es einem selbst einmal so gehen kann. Das tägliche Treffen mit den anderen Heimbewohnern, als Gesprächrunde gedacht, verkommt zum Schweigekreis. Angestellte der Einrichtung dienen als Ersatzfamilie und sorgen fĂĽr ein klein wenig im Versorgungsvertrag festgelegte Abwechslung. Selbstbestimmtheit, Verantwortung und Geselligkeit werden eingetauscht in Bevormundung, Inhaltslosigkeit und Isolation. Wie lange bleibt da die Lebensfreude erhalten und wo fängt das Ende an?